Keine Qual mit der Wahl - Kolumne am Samstag

Keine Qual mit der Wahl - Walters Kolumne am Samstag

von Walter Holtfoth  // Foto Geschichtsdokumente.de 

 

Zieh mit, wähl Schmidt! Dieser Aufkleber zierte meinen Liegegips auf der Station 1 A des Lahrer Krankenhauses vor vielen Jahren. Eine Ärztin erkannte an meiner Nasenspitze oder meinen langen Haaren damals mein Potential als wichtige Stimme und schlich sich nach der Chefvisite zurück ins Zimmer, um mir den Bäpper aufzukleben. 

 

Die Ärztin von der 1 A 

 

Im Nachhinein durchaus clever, denn ich hatte am Ende der damaligen Leidenszeit nach vielen Wochen nicht nur das Personal nervend auf Trab gehalten, sondern auch gefühlt hunderte von Unterschriften und Genesungswünsche auf jenem Klotz am Bein. 

 

Alle vier Jahre - wie Olympia - dabei sein ist Alles - Wählen gehen ! 

 

Wie gesagt das ist viele Jahre her. Beim gestrigen Gassigehen unter Orkanbedingungen hab ich nachgerechnet. 11 mal durfte ich in den letzten 44 Jahren einen Landtag und einen Bundestag wählen, die Kommunalwahlen dazu sind das gute 30 Wahlen, die ich mir nie entgehen ließ. Sicherlich ich habe mich verändert, gewandelt mit den Jahren. Der glühende Schmidt Fan war ich ein paar jährchen später nicht mehr. Ich hab eher Infostände in der Lahrer Marktstraße aufgebaut, Plakate geklebt, Flyer verteilt und mich amüsiert, was aus Großformatpostern eines Franz Josef Strauß mit ein bissel Farbe alles kreiert werden kann. "Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt!" Manches Streitgespräch, der ein oder andere Schmähruf ist gerade jetzt in Erinnerung. 

 

Dann habe ich immer mal wieder die Lager gewechselt, wenngleich ich sagen muss, dass ich mit Blick auf den Schmidt, immer meinem Herzen gefolgt bin. Es schlägt nun mal links, nicht nur wo es anatomisch, sondern auch emotional hin gehört. 

 

Wasser predigen und Wein saufen.

 

Heute ist nun mal wieder so ein Tag vor einer Wahl, meine Stimme schlummert längst auf dem Friesenheimer Rathaus und wartet darauf, aus dem Umschlag zu springen. Ich habe tatsächlich keine Wahl versäumt und mir das Recht tatsächlich verdient, mitreden zu dürfen und wenn es sein muss den Mund aufzumachen.

 

Heute schaue, höre ich genauer hin. Ich beobachte sie alle, die sich um diese meine Stimme bemühen. Jene die laut stampfend durch das Geschehen elefantengleich marschieren, jene die sich in der Opferrolle mehr als wohl fühlen, andere die vor lauter Schleimspur gar nicht merken, wie sie schliddernd durch den Tag sülzen. Auch dann die, die sich die Anderen nennen und sich alle Jahrzehnte neu erfinden, vor Polemik strotzend die Polarisierung brauchen, um überhaupt gehört zu werden. Ja ich vergesse auch die nicht, die Wasser predigen und Wein saufen. Alle die schon bei ihren Versprechungen wissen, dass sie sie niemals halten können oder gar werden. 

 

Ich liebe die Stillen, die einfach arbeiten und tun.

 

Mir sind einige aufgefallen, die beharrlich leise arbeiten. Sie werden kaum wirklich wahrgenommen, es sei denn man schaut genauer hin. Es sind Politiker*innen, die Mensch geblieben sind, keine Parteisoldaten, ihrem Gewissen folgend. Sie hören Dir zu machen sich Gedanken und bemühen sich Lösungen für das Gehörte zu finden, alles ohne Tam Tam. Ich liebe Menschen, die nichts versprechen und alles halten. Parteien wähle ich schon lange nicht mehr, es sind Menschen die meine Stimme verdienen.

 

Wie gesagt, meine Stimme liegt im Friesenheimer Rathaus und wartet darauf aus dem Umschlag zu springen. 

 

Für Morgen gilt, in sich zu hören und wählen gehen. Es ist das höchste Gut, dass uns die Demokratie bietet. Und dann können wir alle hinterher weiter ringen während wir beobachten, wer versprochen und wer gehalten hat.